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1. Internationale ADAC 24 Stunden Avus-Rennen am 4./5. Mai 1963




Start...



Von einem, der dabei war...

Das war auch so eine Geschichte. Kein Geld in der Tasche, aber Mike Hailwood spielen. So der Originalton meines Vaters zu den Plänen, am 24-Stunden-Rennen auf der Avus teilzunehmen. Aber einem Jüngling, Verzeihung, zwei von dieser Sorte mit Vernunftargumenten zu kommen, ist ja bekanntermaßen vergebliche Liebesmüh' zumal diese beiden Knaben, das heißt mein Freund Manne und ich, schon so vom Zweiradvirus infiziert waren, dass es unmöglich war, uns von einem Rennen direkt vor unserer Haustür abzuhalten. Was war zu tun?

Erst einmal in den ADAC eintreten, dann einen Fahrerausweis samt ärztlicher Prüfung auf Renntauglichkeit beantragen, und dann das Wichtigste: Die Maschine!!! Manne, watt iss, nehm wa deine oder meine??????

Beides BMW R26. Freund Mannes ein Jahr älter als meine, also meine. Inzwischen kamen die Ausweise, die Startzusage und die Startnummern. Also, Startnummenschilder gebaut und angebracht, alle Öle gewechselt und was sonst noch so an Wartungskram anfällt. "Mach nich so ville, da jeht sowieso watt kaputt, wo de jetz janich dranne denkst." So mein pessimistischer Freund Manne. Der denkwürdige 1. Tag des Rennens dämmert herauf. Jetzt aber los. Bloß noch 4 Benzinkanister a 20 Liter zusammengeborgt und vollgetankt. Vater fährt das Werkzeug und die Ersatzteile von Mannes Motorrad samt Manne selbst zur Avus und schleppt den Kram in die uns zugewiesene Box. Und ich mit dem Motorrad per Achse hinterher.

Das Zulassungsnummernschild abgeschraubt und die Maschine wird zur Startaufstellung (Le Mans-Start) gebracht, ein letzter Blick und ab in die Box.

Inzwischen ist die Luftmatratze aufgeblasen, die uns später als Schlafstätte dienen soll. 11:00 Uhr, es ist noch Zeit sich ein Wenig umzusehen. In der Nachbarbox ist emsiges Treiben von exotisch aussehenden Leuten zu beobachten, es ist der Herr Shimada mit seiner Honda CB72. Ich sehe das Ding zum ersten Mal. Naja, sieht ja ein wenig spillerig aus, und dann noch mit E-Starter? Naja die Japaner!

Danach nochmals die Ermahnung an Manne und innerlich auch an mich: Auf keine Stechen einlassen und bei 120 km/h ist der Hahn zu. Nur so können wir und die BMW überleben. Nun heißt es, langsam fertig machen zum Start. Es hat inzwischen angefangen zu regnen. Also, Mutters Gummihandschuhe über die ledernen und eine Regenschutzjacke und -Hose vom Bau über die Kombi und auf der Startlinie gegenüber von den Maschinen Aufstellung genommen.

12:00 Uhr, Unheil nimm deinen Lauf, der Start zu meinem ersten Straßenrennen beginnt mit einem Sprint von 60 Metern zur Maschine, Zündschlüssel steckt schon, rauf auf den Kickstarter, der Eintopf erwacht sofort zum Leben und ab geht die Fahrt.

Nach zwei ereignislosen Stunden langweiliger Fahrt mit 120 an die Box. Auftanken, Fahrerwechsel und tschüss, Manne, machs gut. Zwei Stunden Bangen und auf die Uhr starren, aber so stetig wie der Regen fällt zieht Manne seine Runden.

Der nächste Halt. Manne trieft vor Nässe und sagt lauter unanständige Sachen, hilft aber noch beim Tanken. Rauf auf den Bock und weiter. Nach einiger Zeit ist das Handtuch im Halsausschnitt meiner Jacke durchgeweicht und das Wasser fließt fast ungehindert am Bauch und Rücken in die entsprechenden unteren Etagen. Mir fallen jetzt auch einige nicht druckbare Bemerkungen dazu ein. Und langsam wird es kalt.

Endlich ist meine Zeit um. An der Box kriegt Manne meine Jacke und die wird aus begreiflichen Gründen nun am Halsloch mit Isolierband und Lappen (teils neu aber auch gebraucht) abgedichtet. Tanken und weiter. Lederjacke, Pullover und Unterhemd ausziehen und gegen trockene Sachen (hat Vater von zu Hause geholt) austauschen. Aber so weit kommt es nicht.

Manne kommt nach einer Runde an die Box. Allen Befürchtungen zu Trotz ist aber nichts an der Technik, vielmehr gleicht Mannes Gesicht einer Bauernpflaume. Er ist ganz blau und kriegt kaum ein Wort heraus. Aber kalt ist ihm nicht, er bekommt nur nicht genügend Luft wegen unserer Abdichtung am Hals. Messer her, das Isolierband abgeschnitten und kaum kriegt der Kerl wieder Luft, ist er schon wieder los. Und ich wollte ihm doch noch die Jacke wieder abdichten. Jetzt wird mir aber auch kalt mit freiem Oberkörper. Also anziehen und warten.

Die BMW läuft wie eine goldene Anker-Uhr aber bei den Japanern kehrt Hektik ein. Da wird heftig diskutiert und geschraubt. Aber Achtung, die BMW kommt rein. Jackentausch, tanken, Klaps auf den A.... und raus. Der Motor hört sich an wie an seinem ersten Tag und hat noch keinen falschen Ton von sich gegeben. Wenn es nicht regnen würde,könnte man denken wir machen einen Wochenendausflug über die Interzonenautobahn nach Wessiland. Langsam ist es dunkel und es ist immer noch kalt und nass.

Zurück in der Box erwartet mich ein heißer Kaffee und diverse Stullen mit allerhand drauf (hat Mannes Vater gebracht, an sowas haben wir gar nicht gedacht). Tanken, und "Mensch Mann, bleib bloß unter 125 und vergiss nicht das Licht anzuschalten!" Langsam fordert der Tag seine Opfer, reihenweise werden defekte Maschinen durch die Nordkurve geschoben und geschleppt und ich werde auch langsam müde. Die Väter fahren los, die leeren Kanister auffüllen. Nach knapp 3 Stunden geht es wieder zur Ablösung. Manne runter vom Sattel, tanken, ich rauf und weiter geht's.

Langsam macht sich leichte Erschöpfung breit, aber nur nicht dran denken. In der Südkehre die sich nicht in der SÜDKURVE befindet sondern an einer Überleitung an der Nikolassebrücke, also ca. 4km weiter ist es inzwischen aus unerfindlichen Gründen gefährlich rutschig geworden, als ob da ein Pleuel nach einem Abriss durch eine Ölwanne gedroschen ist.

Glücklicherweise haben die Streckenposten gespurt und sind mit rot-gelben Fahnen am Winken. Später war dann zu hören, dass trotz alledem einige Mitstreiter Bodenproben genommen haben. Allerdings ohne nennenswerte Schäden an Körper und Material.

Jetzt nochmal an der Box vorbei, das Zeichen gemacht, dass ich nächtens anlegen werde und dann nochmal durch die Nordkurve und an die Box.

Hier erwartet mich ein total verpennter Mitfahrer, na der hat Nerven. Und warm scheint ihm auch zu sein. Also Tanken, kurzes Briefing zur Situation in der Südkehre und ab dafür. Die Väter schlafen inzwischen im Auto umschichtig.

Umziehen, abtrocknen, schlafen, einwickeln in warme Decken, essen und trinken, alles auf einmal geht nicht, also eins nach dem anderen und dann SCHLAFEN.

Manne zieht hoffentlich seine Runden. Nach 1 1/2 Stunden wecken, Kaffee, was essen und die Generalsfrage: wo liegen wir??? Vater sagt: irgendwo auf dem 2. oder 3. Platz. Na Mahlzeit, das kann ja wohl nicht wahr sein. Da ist mein Passmann schon herein. Tanken und ab. Nach einer ereignislosen Stunde plötzlich Blaulicht auf der Bahn, Krankenwagen, Streckenposten winken mit Fahnen, da wird einem doch ganz mulmig im Bauch. Später hören wir, dass ein Rettungswagen einem gestürzten Fahrer bergen wollte, als ein anderer Fahrer ohne zu bremsen auf den haltenden Sanka auffuhr. Beim nächsten Wechsel das gleiche Bild: Tanken, Fahrerwechsel und Manne ist wieder unterwegs. Ich bin gerade ein Wenig eingedämmert, als der Schreckensruf durch die Boxe hallt: Manne schiebt in der Nordkurve. So eine Sch....., was hat der denn gemacht???

Wer die Avus kennt, weiß dass es etwa 1,5 km vom Anfang der Nordkurve bis an die Boxen sind und wer schon mal ein Motorrad diese Strecke im Schweinsgalopp geschoben hat, der kann sich vorstellen in welchem Zustand mein Partner war, als er in die Box kam. Da hatten wir aber keine Zeit für Mitleid, da war Fehlersuche gefragt.

Also aufbocken und das Übliche: Sprit, Zündung, Elektrik???? Es war die Zündung, kein Funken trotz neuer Kerze. Deckel von der Lima ab und suchen, Kerze rein, Stecker drauf, Kickstarter treten und siehe da, an dieser verdammten Zündspule funkt es an einer Stelle wo gar kein Funken sein dürfte. Nämlich da, wo das Zündkabel angelötet WAR.

Wie das wieder festkriegen??? Lötzeug?? Null. Also improvisieren. Silberpapier aus einer Zigarettenpackung fest gerollt, zwischen Lötstelle und Zündkabellitze geklemmt und das Ganze mit selbst vulkanisierendem Gummiband umwickelt, Probelauf positiv. Deckel drauf und eine Stunde verloren.

Missmutig klettere ich auf den Bock und mache, dass ich wegkomme. Es hat aufgehört zu regnen, die Mühle läuft wie eh, also, was soll's: Ab geht's mit voller Pulle. So geht es dann bis die Zielflagge runtergeht. Es ist geschafft, 5. Platz und für uns beide gibt es je eine Erinnerungsplakette. Und dann noch Mannes Kommentar: " Siehste, da jeht wat kaputt wo de nich dranne denkst!"





Eine Sammlung zeitgenössischer Dokumente als pdf-Dateien:

Programmheft (Auszüge) mit Teilnehmerlisten.

Avus - Maschinen (aus MOTORRAD 10/1963).

24 Stunden Rennen auf der Avus, das Rennen
(aus MOTORRAD 11/1963).

Auf der Avus gelernt (aus MOTORRAD 12/1963).

Avus für harte Männer (aus ADAC Motorwelt 6/1963).






Abb 1: Vorne einer von denen, die dabei waren, vor dem Start






Abb 2: Sebastian Nachtmannn






Abb 3: leider namenlos






Abb 4: leider namenlos






Abb 5: Le Mans Start. Wo laufen sie denn...






Abb 6: Le Mans Start. Hoffentlich streikt der Bock nicht...






Abb 7: Le Mans Start.






Abb 8: Ausfahrt Nordkurve






Abb 9: Zieldurchfahrt






Abb 10: Nachzügler






Abb 11: Geschafft. Das Pfannenschmidt MZ BK-Gespann






Abb 12: Der dabei war (links) und mein Freund Manne.





Diese Seite stellte freundlicherweise Herr Hans-Jochem Domaschk
(josabine at arcor dot de) zur Verfügung. Herzlichen Dank!

 



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Stand: II.2010